Die Mercator-Karte des Universums

Wo fand der Urknall statt?
Was war vor dem Urknall?
Gibt es Überlichtgeschwindigkeit hinter dem Horizont?

Wir zeichnen eine Mercator-Karte des Universums, um die Antworten zu sehen. Diese Karte stellt die Expansion des Universums und die Krümmung der Raum-Zeit grafisch dar und bezieht sich auf Analogien aus einer bekannten Darstellung der Erde. Wir registrieren die Bewegung der Galaxien auf einem Streifen und wählen die Spuren als vertikale Linien analog den Längengeraden einer Zylinderprojektion. Der Maßstab auf den Horizontalen ändert sich mit der Zeit, so wie sich der Maßstab der Breitenkreise mit der geografischen Breite ändert. Aus dem Abstand auf dem Streifen ist also die Expansion herausgerechnet: Es ist ein expansionsreduzierter Abstand.

Mercator gelang es, die Karte der Erde so zu konstruieren, dass die Winkel auf der Karte überall gleich denen auf der Erdkugel selbst sind. Man muss dazu den Maßstab der Meridiane immer gleich dem der Breitengrade halten. In der Zeit vor GPS war es eine wichtige Erleichterung, dass man nun einen festen Kurs von Hafen zu Hafen durch einfaches Anlegen eines Lineals bestimmen konnte. Wir übertragen diese Idee auf unsere Karte und passen den Maßstab der Zeit an den der Entfernung so an, dass die Spuren von Lichtsignalen immer die gewohnte gleiche Neigung haben. Winkeltreue heißt, dass die Neigung der Spuren immer die richtige Geschwindigkeit anzeigt. Das neue Zeitmaß heißt konforme Zeit. Gemessen an der konformen Zeit braucht das Licht immer das gleiche Intervall für eine gegebene expansionsreduzierte Entfernung. Wenn zwei ideale Galaxien gegeben sind, dann ist der Schlag der konformen Zeit die Ankunft eines zwischen diesen Galaxien hin und her laufenden Lichtsignals.



Der genaue Ablauf der konformen Zeit wird durch den Verlauf der Expansionsrate und damit durch die Einsteinsche Theorie der Schwerkraft bestimmt. Nach der letzten Vermessung der Hintergrundstrahlung hat das Universum in konformer Zeit einen Anfang und auch ein Ende. Jeder Beobachter hat aktuell einen Erfahrungshorizont in der Vergangenheit und einen Aktionshorizont in der Zukunft. Und: wir sehen bereits Objekte die wir nicht mehr erreichen können.

Der untere Rand ist das Bild des Urknalls. Obwohl hier die metrischen Abstände aller Punkte null sind, können wir sie wohl unterscheiden (zum Beispiel als Grenze von Horizonten). Der Urknall hatte also keinen bestimmten Ort (so wie die Pole der Erde auf keinem bestimmten L"angengrad liegen), aber er war auch keine Explosion aus einem einzigen Punkt.

Was war vor dem Urknall? Unsere Karte ist zu Ende wie eine Zylinderprojektion der Erdoberfläche an den Polen. Was passiert, wenn man vom Südpol aus weiter nach Süden fortschreitet? Das geht überhaupt nicht. Kann man die Karte des Universums über den unteren Rand hinaus ausdehnen? Solange wir Raum und Zeit trennen können und das Licht uns die konforme Karte ermöglicht, gibt es nichts vor dem Urknall. Der Urknall ist der Anfang der Zeit. Wenn wir die Karte über den unteren Rand fortsetzen wollen, kann in der Fortsetzung Raum und Zeit nicht mehr unterschieden sein. Also: Am Anfang trennten sich Zeit und Raum.

Die Rotverschiebung (hier des räumlichen oder zeitlichen Abstands zweier Lichtpulse) zeigt sich nun unmittelbar als Verhältnis der Maßstäbe zum Emissionszeitpunkt und zum Beobachtungszeitpunkt. Auf der Karte bleiben bleiben ja räumliche und zeitliche Distanz fest. Wegen des sich ändernden Maßstabs 1:a[t] heißt das: Der wirkliche Abstand in Zeit wie in Raum nimmt mit der Expansion ständig zu (Rotverschiebung der entfernten Galaxien 1 + z = λbeobachtet / λemittiert = a[tBeobachtung] / a[tEmission]). Auf der Karte sind vier Ereignisse eingezeichnet, die wir gerade beobachten: den Zustand des Galaxienhaufens im Sternbild Coma Berenices bei z = 0.023, den des weitest entfernten Haufens, der im Röntgenlicht bei z=1.39 gefunden wurde, den der entferntesten Galaxie, die überhaupt gefunden wurde (z = 10), und den der Hintergrundstahlung (z approx 1100).

Die Geschwindigkeit eines Gegenstands ist die Neigung seiner Spur in der Karte. In konformen Koordinaten ist die Geschwindigkeit des Galaxien bis auf die Pekuliarbewegung null. Also ist die Relativgeschwindigkeit? nein, nicht null: In einer gekrümmten Welt erfordert der Vergleich über die Entfernung eine Parallelverschiebung der Richtungen zu einem gemeinsamen Punkt. Dafür gibt es eine einfache Methode: Längs einer Geodäten sollen sich die Winkel zur Geodäten nicht ändern. Die auf der Karte geraden Linien sind jedoch keine Geodäten). In hellerem Strich sind zwei Scharen von Geodäten gezeichnet. Alle raumartigen Geodäten haben einen Scheitelpunkt. Auf der linken Seite sind dies die Geodäten, die das Ereignis B erreichen. Auf der rechten Seite ist eine Schar von Geodäten gezeichnet, die ihren Scheitelpunkt auf einer gemeinsamen Vertikalen haben.

Das gibt uns die Möglichkeit, ein Geodäten-Viereck CDEF zu betrachten, das zwei rechte Winkel hat (bei D und E). Die Strecken EF und DC sind also dort parallel. Die Tangentenrichtung an CD bei C ist nun in D immer noch Tangentenrichtung an CD, steht dort also senkrecht auf DE, auch wenn sie weiter nach E verschoben wird, wo sie nun Tangentenrichtung an FE ist. Das bleibt sie nun auch bei der Verschiebung nach F. Vergleichen wir die Tangentenrichtungen aber längs FC, finden wir einen Unterschied. Der Vergleich von Richtungen hängt also vom Wege ab, längs dessen der Vergleich bewerkstelligt wird. Die Krümmung ist gerade durch diese Eigenschaft definiert. Einstein hat das in der Allgemeinen Relativitätstheorie benutzt. Diese setzt die Krümmung der Raum-Zeit proportional zum Materieinhalt. Ist das Universum nicht leer, ist die Raum-Zeit gekrümmt. Die Krümmung des Raums dagegen hängt noch von anderen Dingen ab. Im Universum, wie man es vermessen kann, ist der Raum im Mittel ungekrümmt, und alle Krümmung manifestiert nur sich in solchen Flächen aus Ort und Zeit, wie unsere Karte eine darstellt.

Der schwarze Bogen sei eine Geodäte auf unserer konformen Karte. Die blauen Pfeile sind die Richtungen senkrecht auf dieser Kurve, weil die Karte ja winkeltreu ist, d.h., dass die Konstruktion der SRT angewandt werden darf. Die roten Pfeile zeigen die Verschiebung des Geschwindigkeitsvektors der rechten Galaxie nach links. Am linken Punkt angekommen, zeigt der Winkel mit der schwarzen Richtung die Relativgeschwindigkeit der beiden Galaxien längs der gewählten Geodäten.
Die Erhaltung der Winkel ist die Erhaltung der Doppelverhältnisse mit den lichtartigen Richtungen, d.h. den Spuren der Lichtsignale. Deshalb bleibt eine zeitartige Richtung bei Parallelverschiebung immer zeitartig.


Auf einer Orts-Zeit-Karte werden die Richtungen an jedem Punkt durch die Spuren der Lichtsignale in zwei Gruppen geteilt: zeitartige und raumartige. Zeitartige Richtungen bezeichnen eine Geschwindigkeit unterhalb der des Lichts. Bei Parallelverschiebung kann die Gruppe nicht gewechselt werden, zeitartige Richtungen bleiben zeitartig. Nun ist am Ort einer Galaxis die Richtung ihrer Spur zeitartig. Unabhängig vom Wege einer Parallelverschiebung kann das Ergebnis immer nur eine zeitartige Richtung sein. Die sich ergebende Relativgeschwindigkeit ist also immer kleiner als die des Lichts. Und: Vergleichen wir längs der Spur, die eine Photon zu uns zieht, ergibt sich eine Relativgeschwindigkeit, deren Doppler-Effekt gerade die richtige Rotverschiebung liefert. Unendliche Rotverschiebung gibt es nicht in einer bestimmten Entfernung, sondern als Grenzübergang zu einer bestimmten Zeit, dem Anfang.