AUF DEN SPUREN DER NOBELPREISTRÄGER

Albert Einstein und Niels Bohr

Vortrag im Rahmen der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci 22.Juni 2013

Einleitung

In diesem Jahr stehen die Musikfestspiele im Zeichen der Musik unserer nördlichen Nachbarn und betonen die wechselseitigen kulturellen Beziehungen in besonderem Maße. Wir sind hier in einem Gebäude der Wissenschaft, und da stehen zu unserem Thema die Namen Niels Bohr und Albert Einstein ganz vorn.

Albert Einstein ist in Potsdam eigentlich gut bekannt, wir haben den Wissenschaftspark Albert Einstein, den Einstein-Turm, das Einstein-Forum, das Einstein-Haus in Caputh, das Albert-Einstein-Institut in Golm, das Einstein-Gymnasium, eine Einstein-Straße. Niels Bohr ist es weniger, immerhin gibt es den Niels-Bohr-Ring am Stern. Einstein assoziiert immer zur Relativitätstheorie, mit Niels Bohr verbindet ihn aber die Entwicklung der Quantentheorie.

Einstein und Bohr stehen am Anfang einer Entwicklung in der Physik, die heute alle feinere Technik beherrscht, der Quantentheorie. Beide erhielten 1922 dafür den Nobelpreis (Einstein den für 1921). Sie führten eine Diskussion zu den Grundlagen der Quantentheorie, die in der aktuellen Forschung immer noch von anhaltendem Interesse ist und die auch der Anlass dieses kleinen Vortrags ist.

Wenn wir nicht Musikliebhaber wären, könnte ich Ihnen gar nicht zumuten, sich etwas über Quantentheorie erzählen zu lassen. Wir sind aber alle mit dem Bild schwingender Saiten vertraut, und die schwingende Saite ist ein Schlüsselloch, durch das wir schon einen Blick auf das Problem werfen können, das so unglaublich scheint und noch lange Zeit viele Missverständnisse hervorrufen wird.

Die schwingende Saite

Eine schwingende Saite haben wir alle vor Augen. Bewegt sie sich genügend langsam, können wir protokollieren, wann sie welche Auslenkung hat. Die Augen sind jedoch ein schlechter Protokollant, weil sie nur alle zwanzigstel Sekunde ein Bild aufnehmen, aber das sollte ja wohl für den Lauf der Bewegung der Saite keine Rolle spielen. Das Langzeitbild zeigt uns die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Auslenkungen. Es ist eine Mandel, deren Ränder deutlicher sind als die Mitte, weil an den Rändern die Saite sich langsamer bewegt als dazwischen. Die Energie, die die schwingende Saite hat, sollte etwa dem Quadrat der maximalen Auslenkung proportional sein und da sehen wir keine besonderen Einschränkungen. Wir hören einen gleichmäßigen Ton. Wir schließen daraus, dass die Saite ihre Energie kontinuierlich an die Umgebung abgibt. Boltzmann ist der Name, der für die Erkenntnis steht, dass deshalb die Wärmeenergie eines Oszillators proportional der Temperatur ist, unabhängig von seiner Konstitution.



Lichtwellen

Was für unsere Saite gilt, gilt auch für elektromagnetische Wellen, nur das wir es dort mit einer unendlichen Menge verschiedenster Schwingungen zu tun haben, die wohlbegründet mit den Methoden der Wärmelehre behandelt werden muss. Das Ergebnis stimmt nicht. Rechnet man, wird die spezifische Wärme der Wärmestrahlung unendlich, und man muss sich wundern, wieso ein Ofen ein Zimmer heizen kann. Misst man jedoch, scheinen die Oszillatoren erst oberhalb einer frequenzabhängigen Temperatur an der Wärmebewegung teilzunehmen. Bei einer gegebenen Temperatur nehmen so nur noch endlich viele Oszillatoren des elektromagnetischen Feldes an der Wärmebewegung teil. Die spezifische Wärme des einzelnen Oszillators wird erst ab einer charakteristischen Temperatur wesentlich, die proportional seiner Frequenz ist. Der Name Planck (Nobelpreis 1918, verliehen 1919) steht für diesen Schluss, diese Entdeckung. Es scheint, ein Oszillator könne Energie nur in Quanten der Grösse E = hf aufnehmen oder abgeben.



Natürlich glaubten erst einmal alle, die Methoden der Thermodynamik seinen nicht ganz zutreffend.

Photonen

Einstein zeigte jedoch 1905, dass diese Quanten direkt gemessen werden können, nämlich am Photoeffekt (Nobelpreis 1921, verliehen 1922). Wenn die Intensität des auf eine Photozelle fallenden Lichts verändert wird, ändert sich nur die Anzahl der ausgelösten Elektronen, nicht aber ihre Energie. Im physikalischen Praktikum darf sich jeder Physikstudent an dieser Messung üben. Sie zeigt, dass bei der Reaktion des Lichts mit einem Elektron gerade das Plancksche Quantum umgesetzt wird. Betrachtet man den Energieaustausch, sieht das Licht nach Teilchenregen aus (Movie von G.Lamer und A.Schwope nach XMM-Daten).



Der Bau des Atoms

Was Einstein für die elektromagnetischen Ozillatoren gezeigt hat, fand Niels Bohr für die Atome. Als Rutherford 1910 aus seinen Experimenten schloss (Nobelpreis hatte er schon 1908), dass ein Atom aus einem positiv geladenen Kern und einer Hülle aus Elektronen bestehen müsse, konnte das wieder nur funktionieren, wenn die Elektronen ihre kinetische Energie nicht gleichmässig abgeben, wie man es von einer schwingenden Antenne eigentlich erwarten würde. Auch für die Elektronen der Hülle sollte es nur bestimmte Energiestufen geben, die dann aus irgendeinem Grunde eben nicht strahlen. Es war Bohr, der eine Bedingung für die nun noch möglichen Bahnen formulieren konnte (Nobelpreis 1922). Wieder tauchte das Plancksche Quantum auf. Die von Bohr gefundenen Energiestufen des Wasserstoffatoms passten zu denen der Lichtwellen und lieferten das Muster des Wasserstoffspektrums. Aber wieso strahlt der Dipol Kern-Elektron nicht?


Versuchen wir es so. Die ohnesin superschnelle Bewegung des Elektrons um den Kern führt auf eine Aufenthaltswahrscheinlichkeit wie bei der schwingenden Saite. Ist die Bahn stationär, wird die Aufenthaltswahrscheinlichkeit zeitunabhängig. Spürt das elektromagnetische Feld nur diese Wahrscheinlichkeit, ist der rasante Dipol verschwunden, das Elektron strahlt nicht. Die Wahrscheinlichkeit kann nun nicht mehr durch die detaillierte Bewegung begründet werden. Sie wird als stehende Welle erscheinen. Diese Welle bestimmt eine Aufenthaltswahrscheinlichkeit. Erich Schrödinger hat noch 1924 die einfachste Form der Bestimmung dieser Welle gefunden (Nobelpreis 1933).

Wir sehen uns an, was diese für die schwingende Saite liefert.

Wenn unsere Saite immer schneller schwingt, sehen wir ein Bild, das unmittelbar eine Aufenthaltswahrscheinlichkeit wiedergibt. Sie nimmt mit der Auslenkung zu und bricht bei der maximalen Auslenkung ab. Für diese Aufenthaltswahrscheinlichkeit hat die Quantenmechanik nun eine Wellengleichung, und die stehenden Wellen in dieser Wahrscheinlichkeit beschreiben die Energiestufung der Saite. Die Wellenlänge wird durch die Masse der Saite und das Abklingverhalten durch ihre Spannung bestimmt. Die möglichen Energien sind gestuft. Die Übergänge zwischen den Stufen sind die beliebten Quantensprünge. Es sind die kleinstmöglichen Änderungen.

Einstein und Bohr

Albert Einstein (Jahrgang 1879) und Niels Bohr (Jahrgang 1885) sind sich wohl erst 1920 persönlich begegnet. Einstein Photonenhypothese, so wird berichtet, soll Bohr weniger beeindruckt haben, ebenso wie sich Einstein von Bohrs mechanischer Quantenbedingung nicht begeistern ließ. Während die jüngere Generation (Werner Heisenberg, Jahrgang 1901, Paul Dirac, Jahrgang 1902, Wolfgang Pauli, Jahrgang 1900), aber auch gleichaltrige (Max Born, Jahrgang 1882, Erwin Schrödinger, Jahrgang 1887) einfach losrechneten, diskutierten Bohr und Einstein die logische Konsistenz der Grundlagen der sich entwickelnden Theorie. Einstein, dessen Photonenhypothese von 1905 die Unzulänglichkeit herkömmlicher Beschreibung deutlich machte, wechselte zu dem Standpunkt des Missvergnügens an der Vorstellung der unauflösbaren Wahrscheinlichkeiten, und Bohr, der damals die Freiheit in der Wahl von Wellen- und Teilchenbild nicht akzeptieren wollte, verteidigte die Konsistenz der quantenmechanischen Wahrscheinlichkeiten.

Wahrscheinlichkeit

Wahrscheinlichkeit wird der zentrale Begriff der Quantentheorie. Wahrscheinlichkeit, die nichts mehr mit der herkömmlichen Statistik unserer mangelhaften Kenntnis oder mangelhaften Messmethoden gemein hat, sondern den Gesetzen der Bewegung inhärent ist. Niels Bohr hat sich damit abgefunden, weil er zeigen konnte, dass sich für die Phänomene unseres gewohnten Erfahrungsbereichs nichts ändern muss. Einstein wollte zeigen, dass diese Wahrscheinlichkeit auf einen Widerspruch führt. Vermutlich haben beide Unrecht.

Quantensprung

Der beliebte Quantensprung ist nun der Übergang von einer stehenden Wahrscheinlichkeitswelle zur nächsten. Er ist furchtbar klein, so klein, dass er im gewohnten Leben nicht auffällt. Er ist die kleinstmögliche Änderung überhaupt. In unserem Organismus ist es der Übergang vom Adenosin-Diphosphat zum Adenosin-Triphosphat.

Die Energiestufe ist etwa 5.4 10-20 Ws. Wer wirklich wenigstens den kleinen Finger krumm machen will (10-4 Ws), muss mehr als 1016 Quantensprünge erreichen, 10000 mal so viel als es Sterne in unserer Galaxis gibt.



Hauptstraße
 
Ausgangserfahrung Eine Schwingung kann kontinuierlich Energie aufnehmen oder abgeben und völlig zur Ruhe kommen
Boltzmann Die mittlere thermische Energie einer Schwingung ist der Temperatur proportional (Boltzmann-Konstante)
Planck Strahlung kennt unendlich viele Schwingungen und würde beim Heizen alle Energie aufnehmen, ohne wärmer zu werden. 1899: In der Wärmelehre ist etwas übersehen worden
Einstein Erklärung des Photoeffekts 1905: Die Wärmelehre ist korrekt, nur geben die elektromagnetischen Schwingungen die Energie nicht kontinuierlich ab (Licht als Photonenregen. Bohr: Welle oder Teilchenstrom nach Kassenlage? Das geht nicht. Planck: Einstein ist weit über das Ziel hinausgeschossen
Bohr Ist Rutherfords Atommodell korrekt, dann verlieren die Elektronen der Hülle ihre Energie auch nicht kontinuierlich: Es gibt eine mechanische Stabilitätsbedingung (Bohr 1913). Einstein: Bewegung ohne Strahlung macht weder die Mechanik noch die Elektrodynamik mit. Rest der Welt: Funktioniert doch nur beim Wasserstoffatom
Wentzel 1924: Statistik kommt ins Spiel. Bei der Bewegung von einem Start zu einem Ziel spielen alle Bewegungen mit. Die Mechanik gibt ihnen nur ein (komplexes) Gewicht
Born und Heisenberg 1925: Messwerte sind Erwartungswerte
Schrödinger 1925: Wahrscheinlichkeitswellen: Teilchen und Wellenamplituden werden beide von einer Art Wellengleichung für die Aufenthaltswahrscheinlichkeit beschrieben
Einstein und Bohr Einstein: hinter der Wahrscheinlichkeit muss etwas anders stecken
Bohr: Die Wahrscheinlichkeit stört das Gewohnte im gewohnten Umfeld nicht


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