Von den Kepler'schen Gesetzen zu den Newton'schen Axiomen
Diskussion von Fragen vielleicht allgemeineren Interesses
1. Zu einer Einsendung von Dr. Peter Schorsch zum
Artikel in PdN-PhiS 58/2 (2009).
In der Darstellung der prinzipiellen Bestimmbarkeit des Planetenabstands von der Sonne in einem heliozentrischen Bild geht es um ein Modell mit konzentrischen Kreisbahnen und gleichförmigem Umlauf, wie aus der Zeichnung eigentlich hervorgeht. Ganz ohne Keplersches 3. Gesetz zeigt es, dass dann der Abstand der Planeten von der Sonne aus der Weite der Rückläufigkeitsschleife in Grad und der relativen Umlaufzeit (Umlaufzeit in Jahren) die relative Distanz (Astronomische Einheiten) bestimmt werden kann.
Das dritte Keplersche Gesetz wird dabei nicht vorausgesetzt, vielmehr wird es durch die gefundenen Wertepaare des relativen Abstands und der relativen Umlaufzeit nahegelegt und gestützt. In den benutzten relativen Distanzen ρ und Umlaufzeiten τ hat es die einfache Form ρ3 = τ2.
Es geht um den Abstand der einzelnen Planeten von der Sonne und nicht von der Erde.
Der Abstand eines einzelnen Planeten von der Sonne ändert sich natürlich im Laufe des Jahres, allerdings in kleineren Beträgen als sich die Abstände zwischen den Planeten unterscheiden. Diese Schwankungen im Abstand eines einzelnen Planeten von der Sonne wirken sich natürlich auch auf die Weite der einzelnen Rückläufigkeitsschleifen aus. Dies ist aber nicht Gegenstand der Diskussion.
Stütze des heliozentrischen Systems sind die retrograden Bewegungen nur insofern, als sie immer um die Opposition bzw. untere Konjunktion der Planeten stattfinden. Die Weite der Rückläufigkeitsschleifen lässt sich wie beschrieben ebenfalls elementarer darstellen, aber das ist von geringerer Bedeutung.
Zu Kopernikus wird oft geschrieben, er habe die Epizykeltheorie des Ptolemaios vereinfacht. Genau dagegen richtet sich die Blickweise auf sein Vorgehen im Einzelnen. Die ungleichförmige Winkelgeschwindigkeit auf der Planetenbahn (nicht die Rückläufigkeit natürlich, sondern die Ungleichförmigkeit auf Grund des schwankenden Abstands von der Sonne) wurde durch eine exzentrische Führung konstanter Winkelgeschwindigkeit bewerkstelligt (Hipparch zugeschrieben), die Kopernikus durch einen Epizyklus ersetzen wollte. Die heliozentrische Darstellung konnte dann wenigstens einen Epizyklus aus der Rechnung heraushalten und als nachgeordneten Rechnungsteil darstellen.
Die gro"se Leistung Copernikus' ist es gerade, das heliozentrische System rekonstruiert zu haben, um diesen
Punkt der Ptolem"aischen Interpretation auch "andern zu k"onnen.
Man kann sich die Enttäuschung vorstellen, als sich herausstellte, dass die Fehler von gleicher Größenordnung blieben.
Kepler war der Astronom, für den die Bewegung der Planeten wirklich physische Bewegung im Raum war, und der nach vielen Mühen den Geistesblitz hatte, es mit einer Ellipse zu versuchen. Dabei fand er auch diejenige Führung der Planeten auf ihrer Bahn, deren Zentrum wirklich die Sonne war, eine Führung nicht mit konstanter Winkelgeschwindigkeit, sondern mit konstanter Flächengeschwindigkeit. Der Punkt, aus dem dagegen eine Führung mit konstanter Winkelgeschwindigkeit erfolgen muss, ist nicht die Sonne, sondern der ihr symmetrisch gegenüberliegende Punkt.
Der Unterschied ist zweiter Ordnung in der Exzentrizität.
Wie in der Einleitung betont, geht es nicht um die Windungen, die die historische Entwicklung genommen hat, sondern um den logischen Faden und das Sehen hinter den Augenschein. Insbesondere haben wir von Entwicklung und Stand der Astronomie in der griechischen Antike nur Bruchstücke, und auch diese sind zum großen Teil Sekundärliteratur (auch das, was Ptolemaios über seine Vorgänger blicken lässt, wie Lucio Russo betont). Lucio Russo hat in seinem Buch La rivoluzione dimenticata, bei Springer in Deutsch (Die vergessene Revolution) erschienen, zum Entsetzen des italienischen Nationalgefühls versucht, einige Lücken durch Interpolation und Kritik zu schließen (wie ich finde, sehr überzeugend).