Test, Entscheidung, Risiko am Beispiel des Magnesiums

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Wo sind die Studien, die die Wirksamkeit des Magnesiums beweisen? fragt der mit Recht immer misstrauische Arzt. Die Antwort, Studien seien teuer, und mit Magnesium werde nicht genug Geld verdient, ist eigentlich überzeugend. Aber selbst wenn wir von der Tatsache absehen, dass der Großteil der Studien von denen bezahlt wird, die ein Medikament verkaufen wollen, bleibt die Bewertung der Studien durch den Arzt oft schematisch und an Treu und Glauben gebunden.

Deshalb soll einmal in aller Einfachheit der im allgemeinen nicht bewusste logische Zusammenhang dargestellt werden. Das Beispiel des Magnesiums eignet sich ganz gut, weil hier noch viel Diskussionsbedarf vorliegt.

Die gewohnte Studie prüft Effekt und/oder Nebenwirkung von Pharmaka. Sie wird in allgemeinem Sinne als Test verwertet, dessen Ergebnis eine Entscheidung herbeiführt. Das erste Stichwort, das noch jeder kennt, ist die Signifikanz eines Tests.
  Hier soll nur der allereinfachste Fall dargestellt werden: Eine Entscheidung soll getroffen werden, ob ein Medikament eingesetzt wird oder nicht. Dazu versuchen wir zu prüfen, ob das Medikament den erwarteten Effekt hat oder nicht, wir veranstalten einen Test und messen ein geeignetes Kriterium.
  Nehmen wir an, wir werten den Test so aus, dass wir einen Effekt nicht anerkennen, wenn das Testergebnis e in einen bestimmten Bereich E fällt (Konfidenzbereich der Nullhypothese). Signifianz des Tests nennen wir die Wahrscheinlichkeit, dass e auch wirklich in den Bereich E fällt, wenn kein Effekt vorhanden ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Test uns einen Effekt nur vortäuscht, heißt Fehler 1.Art (alpha). Das Signifikanzniveau ergänzt ihn zu 1.
  Tests mit hohem Signifikanzniveau täuschen selten einen Effekt vor. Der Fehler 1.Art lässt sich vergleichsweise einfach berechen, weshab er außerhalb der Mathematikergemeinde fast ausschließlich benutzt wird. Auch in Pharmakologie und Medizin wird Wirksamkeit immer auf Signifikanz getestet.
  Der schon hier zu bedenkende Punkt ist, dass nur die Signifikanz der Wirksamkeit einer Dosis und nicht die des Pharmakons generell untersucht werden kann, wenn Dosiserhöhungen wegen der realen oder virtuellen Gefahr unerwünschter oder sogar gefährlicher Nebenwirkungen unterbleiben müssen. Bedeutsam ist dies vielleicht weniger bei körperfremden Substanzen (Drogen), wo man eine dosislineare oder sogar allergische Reaktion erwarten kann, sondern bei der Substitution körpereigener Substanzen, die mehr oder weniger hoch geregelt sind und deren Wirkung erst bei höheren Dosen, dann aber durchaus überproportional einsetzen kann. Beispiel ist die Magnesiumsubstitution, wo Tests mit 300 mg per diem nur undeutlich sind, und alle anekdotische Erfahrung zeigt, dass eine Wirkung erst bei 600 mg per diem, dann aber überproportional einsetzt.
  Die Signifikanztests haben nun nicht nur das Dosisproblem, sondern vor allem das der Unterbewertung des Fehlers zweiter Art. Zweiter Art - das hört sich schon ein wenig nach zusätzlicher Feinheit an. Er ist aber nicht Feinheit, sondern nur eine saurere Traube. Ein Test enthält nicht nur die Möglichkeit der Fehlentscheidung auf eine Wirkung, wenn keine vorhanden ist, sondern gleichbedeutend die Fehlentscheidung auf das Fehlen einer Wirkung, wenn eigentlich eine vorhanden ist. Dieser Fehler wächst, wenn der andere verkleinert wird. Folglich müssen beide Fehler gegeneinander abgewogen werden.
  Eine Abwägung beider Fehler setzt voraus, dass sie ein Gewicht haben, man also die Kosten der jeweiligen Fehlentscheidungen kennen oder wenigstens abschätzen können muss. Den Fehler zweiter Art ganz außer Acht zu lassen heißt immer, dass er gar kein Gewicht hat: Dann muss ich aber überhaupt keinen Test durchführen. Nur ein übliches Signfikanzniveau zu wählen, heißt einfach nicht zu wissen, was man eigentlich tut. Entscheidet man sich für "keine Wirkung", obwohl eine Wirkung vorhanden ist, gilt

Risiko = Kosten der Unterlassung * Fehler zweiter Art.

Entscheidet man sich für den Einsatz, gilt

Risiko = Kosten des Einsatzes * Fehler erster Art.

Dabei enthalten die Kosten der Unterlassung natürlich die Kosten der Behandlung, die statt dessen vorgenommen wird, aber auch die Last, die der Patient weiter tragen muss. Da diese Kosten im Falle der unterlassenen Magnesiumtherapie weit höher als die einer überflüssigen Magnesiumtherapie sind, ist das Schielen auf ein hohes Signifikanzniveau einfach falsch.
  Wenn es um den einzelnen Patienten geht, genauer, wenn es um die Frage geht, ob ein Pharmakon eingesetzt werden muss oder nicht, darf man den Fehler zweiter Art nicht außer Acht lassen. Versuchen wir nämlich nur, den Fehler erster Art klein zu halten, ist es uns wichtig, das Pharmakon nicht überflüssigerweise einzusetzen. Es dagegen nicht einzusetzen, obwohl es nötig wäre, halten wir dann für eine lässliche Sünde. Was dabei untergeht: Der Fehler erster Art kostet nur das Medikament, der Fehler zweiter Art dagegen die Gesundheit des Patienten.
  Es ist also unzulässig, ein Medikament nur deshalb nicht einzusetzen, weil seine Wirksamkeit nach der üblichen schematischen Bewertung "nicht erwiesen" ist. Wenn Wirksamkeit pharmakologisch oder exemplarisch vermuted werden kann, darf ein Medikament nur dann nicht eingesetzt werden, wenn seine Unwirksamkeit erwiesen ist. Dies geschieht aber mit den bisher benutzten Verfahren in keinem Falle.
  Eine beispielhafte Bedeutung hat dies wieder bei der Magnesiumsubstitution. Magnesium ist ein körpereigener Stoff, Weil er sowohl in der Steuerung des Energiestoffwechsels als auch des Elektrolythaushalts eine anerkannterweise (d.h.lehrbuchrelevante) unentbehrliche Rolle spielt, muss der Magnesiumstoffwechsel hochgradig geregelt sein, und Magnesiummangel muss eine Überlastung aller Systemkomponenten des Organismus bedeuten. Welche dieser Überlastungen sich als erste oder überhaut prominent ausdrückt, kann nicht generell beantwortet werden. Im Gegenteil, es wird an der Disposition des Patienten liegen, welche Komponenten des Mangelsyndroms in welcher Deutlichkeit auftreten. Es wird ebenfalls in der Disposition des Patienten liegen, bei welcher Dosis substituiertes Magnesium eine deutliche Wirkung hat. Es ist deshalb hoffnungslos und der falsche Ansatz, Wirksamkeit des Magnesiums mit den üblichen Vorurteilen zu testen. Wenn die exemplarische Erfahrung zeigt, dass die Erleichterung bei 600 mg per diem einsetzt, können Tests mit Gaben von 300 mg per diem einfach nichts bringen.
 

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