Wir bewegen uns nach Musik in verschiedenen Bewegungs-Metren, Rhythmen und Stilen Schön wäre es, wenn die Musik dies unterstützen würde. Das ist aber in der Turnier- und Sportordnung nicht gefordert. Dort steht unter 4.3.4 nur lapidar, dass der Turnierleiter "Vorkehrungen zum Darbieten einer sportgerechten Musik" zu treffen habe. Was das ist und was das nicht ist, wird nicht erläutert.
Der TSO untergeordnet sind die Wertungsrichtlinien. Dort steht immerhin das Wertungsgebiet Musik an erster Stelle:
1.1 Takt
Der Tänzer bewegt sich nach einer akustischen Vorgabe, die eine ständig sich
wiederholende zeitliche Struktur aufweist.
Die energetische Entladung des Paares muß der zeitlichen Struktur der akustischen
Vorgabe angepaßt sein.
1.2 Rhythmus
ist die Gliederung eines Energieablaufes in zeitliche Abschnitte gleicher oder
unterschiedlicher Länge. Diese Gliederung wird sichtbar in verschiedenen
Körperebenen und / oder im Durchlaufen notwendiger Unterstützungspunkte.
1.3 Musikalität
Differenzierung der Musik in den verschiedenen Körperebenen
Ein Tänzer zeigt Musikalität, wenn er auf die Feinheiten des musikalischen
Gesamtwerkes ( Komposition,Instrumentation ) mit Aktionen reagiert, die im
Körperzentrum entwickelt werden. Diese Reaktionen haben logische
Auswirkungen in den peripheren Körperebenen (z.B. Arm, Hand,Kopf).
Die Wertungsgebiete 1.1 - 1.3 sollten tänzerisch eine Einheit bilden
Nicht nur die Tanzerei, auch die Tanzmusik muss nach diesen Kriterien bewertet werden.
Wenn man die Musik vorher kennt, den ganzen Tanz choreographieren kann und kein weiteres Paar auf der Fläche stört, kann man natürlich auf jede Musik etwas tanzen. Kürwettbewerbe heben gerade darauf ab. Beim Turniertanz muss die Musik dem Tänzer jedoch ermöglichen, die eben genannten Anforderungen zu erfüllen, ohne dass er die Musik vorher kennt oder als Ganzes choreographieren muss.
Danach muss Tanzmusik bewertet werden.
Nun können die wenigsten Komponisten von Tanzmusik und die wenigsten
Musiker selbst tanzen. Dem entsprechend sind die meisten Kompositionen
und die meisten Arrangements einjährige Pflänzchen und werden dann zu Recht vergessen.
Den Titeln, die bleiben, ist gemeinsam, dass
1. Melodie und Rhythmus zueinander passen, die Melodie bereits a capella
den Tanz bestimmt.
2. das Arrangement den Tänzer trägt (und nicht etwa in den Boden stampft)
3. das Arrangement den Bewegungsstil unterstützt,
4. das Arrangement den Tänzer treibt.
Mein persönlicher Zensurenkanon ist:
5: tu ich mir nicht an
4: tanz ich nur, wenn es nicht anders geht
(nach früheren Versionen der TSO hatte der Turnierleiter zu verhindern,
dass solche Musik gespielt wird, aber die Entwicklung muss ja weiter gehen)
3: kann man tanzen (ein freundlicher Blick ausser der Reihe wäre gut)
2: möchte ich tanzen (wo sind meine Schuhe?)
1: muss man tanzen (rauf aufs Parkett, alles andere ist Wurscht)
Wird Musik in unpassendem Tempo gespielt, kann es nur die 5 geben. Hat man den Titel elektronisch, kann man das Tempo aber selbst richten.
Ist das Metrum richtig, hört man im allgemeinen auch den Takt, falls ein Sänger nicht unbedingt demonstrieren will, dass er einen Ton über mehrere Takte a capella halten kann und der Taktschlag einfach aussetzt. Dann kann es natürlich nichts Besseres als 4 geben.
Gerade durch die Disco-Mode gibt es nun sehr viele Titel, die keinen Rhythmus haben, sondern von einem durchlaufenden Beat dominiert werden. Wenn dann die Melodie dies nicht kompensiert (und sie sollte ja auch einen Rhythmus haben), gibt es nur 4-5, wenn sie es schafft, ist allerdings sogar eine 2 drin. Die marschähnlichen Metren schaffen ja einen gewissen Vortrieb, der natürlich auch von der Militärmusik unverfroren ausgenutzt wird. Man kann sich auf der folgenden Webseite des ADTV überzeugen, dass auf Quickstep und Foxtrott bereits verzichtet werden muss, weil es keine Musik mehr gibt, die die Paare nicht in den Boden stampft.
Es gibt viele Titel mit unklaren Rhythmen, bei denen man den Eindruck hat, die Schlaginstrumente können sich nicht entscheiden. Das kann man verstehen, weil Tango und Rumba gemeinsame Vorfahren haben und Chacha auch noch zur Familie gehört. Als Musik für den Turniertanz sind sie ungeeignet, die Note ist dann 4. Auch der Quickstep ist heute immer in Gefahr, als verklemmte Samba oder überhasteter Jive zu enden.
Seit auf die Musik auch noch gesungen wird, versuchen die Sänger besondere Effekte zu erzielen, indem sie über den Taktschlag hinwegsingen. Während die Instrumente noch den richtigen Takt finden, wird das Ohr durch den Gesang teilweise erheblich irritiert. Besonders im Langsamen Walzer und bei der Rumba entstehen so sehr problematische Titel, die auch über die 4 nicht hinauskommen. Am einfachsten hat es da der Jive. Er entwickelt so viel Drive, dass sich die Sänger dem nicht entziehen können.
Quickstep und Slowfox geraten durch die moderne Betonung des Beats immer in Gefahr, die Leichtigkeit zu verlieren. Wenn mich ein Beat in den Boden stampft, ist das nur eine 4.
Was die Musik aber immer braucht, ist Schwung und Drive. Richtiges Metrum und richtiger Rhythmus allein machen noch keine gute Tanzmusik. Gut ist die Tanzmusik dann, wenn man am Rande sitzend meint, dannach möchte man auch tanzen. Wenn das Arrangemant im richtigen Metrum auch Drive entwickelt, gibt es bei mir wenigstens eine 2, denn dann möchte ich immer tanzen. Der Drive kann einem geradezu die Beine wegziehen, dann gibt es eine 1.
Schwung und Drive durch das Arrangement zu entwickeln, ist allerdings heute schwieriger als zu den Zeiten, als Big Bands noch existieren konnten. Ich kann das Ergebnis aber nicht aus Mitleid gut finden.
In diesem Jahr habe ich bei youtube einen Walzer gefunden, der zeigt was ich meine. Man vergleiche die 40 Sekunden von Mark Terenzi und die von Walter Tauber. Lezterer ist eine glatte 1, Mark Terenzi aber nur eine 4. Sein Lied ist gut, sein Vortrag gut, aber ein Walzer ist es nicht. Drei-Viertel-Takt allein macht keinen Walzer, wie Oliver Wessel-Therhorn immer betont hat. Wenn man ganz böse wäre, könnte man sagen: Wer schwungvoll auf schwunglose Musik tanzt, tanzt eben nicht nach der Musik :-(